Es ist ein Phänomen, welches in den vergangen Jahren stark zugenommen hat. Der Trend zum “Hotel Mama”, also dem Nicht-Auszug aus dem Elternhaus, setzt sich in sämtlichen europäischen Ländern durch. Im nachfolgenden Artikel sollen Gründe für diese Situation erörtert werden.
Perspektivlosigkeit
Bei den meisten Erwachsenen, die mit über 30 Jahren noch bei ihren Eltern wohnen, lassen sich finanzielle Motive für ihre Entscheidung – oder besser gesagt Alternativlosigkeit – ausfindig machen. Die junge Generation studiert immer öfter und länger. Diesbezüglich verschiebt sich der Berufsstart nach hinten. Insbesondere in südeuropäischen Staaten wie Italien – wo das Phänomen sogar den liebevollen Namen “mammoni” trägt – oder in Spanien. In diesen Ländern fällt insbesondere eine exorbitant hohe Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen auf. Diese berufliche Perspektivlosigkeit, die in manchen Brennpunktvierteln bis zu 50 % der jungen Erwachsenen betrifft, lässt ihnen keine andere Wahl. Wenn sie nicht auf der Straße landen wollen, müssen sie sich wohl oder übel im elterlichen Haus einrichten.
Angespannter Wohnungsmarkt
Selbst junge Erwachsene um die 30, die das Glück haben, eine Arbeitsstelle gefunden zu haben, können sich insbesondere in Innenstädten keine Wohnung mehr leisten. Ins schier unermesslich steigende Mieten und eine sich immer stärker auszeichnende Wohnungsknappheit sind starke Indikatoren für das “Hotel Mama”. Ein durchschnittlich bezahlter Job bedeutet demzufolge längst keine finanzielle Sicherheit mehr. Um sich eine Stadtwohnung oder gar ein eigenes Haus leisten zu können, ist ein überdurchschnittlicher Lohn beinahe Grundvoraussetzung. Und selbst wenn man sich eine eigene Wohnung gerade so leisten könnte, bliebe nach Abzug der Miete kaum etwas zum Leben übrig. Über 30-Jährige sind aufgrund der horrenden Marktpreise auf finanzielle Unterstützung der Eltern angewiesen und sehen im “Hotel Mama” den einzig sicheren Rückzugsort.
Faktor Bequemlichkeit
Neben den vielen nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen, lassen sich weitere Motive der “Nesthocker” – wie sie im Deutschen etwas abwertend bezeichnet werden – ausmachen. Dazu zählt gewiss das Argument der Bequemlichkeit. Zuhause ist es am Schönsten. Die Wäsche wird gewaschen, das Abendessen gekocht und die Wohnung geputzt – ausschließlich oder teilweise von den Eltern. Der Generation “Hotel Mama” wird jede Menge lästiger Arbeit abgenommen. Diesen Service schätzen viele und lassen sich gerne und bereitwillig bedienen. Pure Faulheit ist sicherlich für manch Betroffenen ein zutreffendes Motiv, doch diesen Faktor pauschal auf die Mehrheit zu beziehen, wird der Realität keinesfalls gerecht. In der Tat ist Bequemlichkeit ein angenehmer Nebeneffekt und seltener einer der Hauptgründe für junge Erwachsene, die noch zu Hause wohnen. Die wenigsten Eltern würden diese Begründung für ihre Kinder gelten lassen und ihnen den berühmten “Tritt in den Hintern” verpassen.
Familie steht über allem
Besonders in Ländern wie Italien, Spanien, Griechenland oder Portugal hat die Familie eine weitaus größere Bedeutung als in nordischen Ländern. Diese Feststellung beruht auf stark traditionsreichen Bildern. Ein sehr enges Verhältnis zur Familie oder ein sich nicht lösen können von den Eltern können unabhängig von oben genannten Faktoren für ein sehr langes Verbleiben im Elternhaus herangezogen werden. Das Zusammenleben in Italien ist mit jenem in Deutschland beispielsweise nicht zu vergleichen. Hier spielen tief verwurzelte Werte und Traditionen eine Rolle, welche auch den Blick auf spätes Ausziehen aus dem Elternhaus prägen. Von der Urgroßmutter bis zu den Enkeln: viele Generationen leben unter einem Dach. Die Rolle der Familie bestimmt das gesamte Leben vieler Menschen. Dies hat natürlich Auswirkungen auf sämtliche Ebenen – inklusive der Wohnsituation.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl soziokulturelle als auch wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend sind, sich besonders lange im Elternhaus “einzuquartieren”. Die Motive sind letztendlich immer persönlicher Natur. Dahinter verstecken sich nicht selten Schicksale, die viele junge Menschen teilen. All die genannten Aspekte sprechen dafür, dass die ohnehin große Zahl jener, die mit 30 Jahren oder älter bei ihren Eltern wohnen, weiterhin steigt. Die Corona-Krise und alle daraus resultierenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen tragen kaum zur Besserung bei.